An dieser Künstlerin haftet etwas Einzigartiges. Man kann ihre Musik in noch so viele Schubladen stopfen wollen, Sofia Portanet passt in keine. Sie hat auch eine sehr persönliche Art, in verschiedenen Sprachen zu singen und das mit einer ganzen Palette an Empfindungen zu unterlegen. Ihre Stimme spielt mit den Tonlagen, ihre Neugier lässt sie immer wieder neue Richtungen erkunden. Nun ist ihre erste CD « Freier Geist » da. Man hört etwas wirklich Frisches, hat erst mal einen musikalischen Schock und will dann nur noch bis zum Ende zuhören. Auf freundliche und professionelle Art hat sie sich diesem Interview zur Verfügung gestellt.
Sofia Portanet wurde am Tag des Berliner Mauerfalls in Deutschland geboren. Aufgewachsen ist sie aber in Frankreich. Und « zuhause » ist ihr ein wichtiger Begriff. Ihr Vater ist spanischer Herkunft und ebenfalls Musiker und Sänger. In ihrem Haus in den Pariser Vororten befindet sich ein Aufnahmestudio. « Wir haben miteinander viel Zeit in großer Verbundenheit verbracht. Er war es, der mir den Antrieb gab, Künstlerin zu werden. » Es sei ihm gedankt.
Kulturelle Vielfalt
In Frankreich geht sie auf eine deutsche Schule. Ihren ersten ernsthaften Kontakt zum Singen hat sie in der Kantorei der Hauts-de-Seine (dem Kinderchor der Pariser Nationaloper). « Das war eine schöne Erfahrung. Ich bin fünf Jahre dort geblieben und habe vieles gelernt, das mich heute noch prägt. Aber nur vom Blatt singen war mein Ding nicht! » Keine Lust also, ihre Schöpferkraft in eine Rüstung zu quetschen.
Das Abitur legt sie in Frankreich ab, geht dann für das weitere Studium der Kommunikation und Wirtschaft nach Berlin. Immer mit dem Blick darauf, von ihrer Musik zu leben. Auf Spiegel Online erzählte sie vor kurzem, wie sie zunächst Coverversionen alter Hits in Bars und Restaurants sang. Da ihr niemand wirklich Aufmerksamkeit schenkte, fing sie an, Wörter übertrieben zu artikulieren, damit sich die Gäste an ihren Pommes verschluckten und ihr endlich zuhörten. Eine echte Persönlichkeit, ich sag’s Ihnen.
Für die Band sucht sie sich ihre Musiker selbst zusammen. « Mich interessiert nicht einfach das technische Können. Es muss auch ein gutes Gefühl für den Klang da sein, und menschlich muss es stimmen. » Ihr Schlagzeuger ist hauptberuflich Anwalt, ihr Bassist Lehrer und ihr Keyboarder Journalist. Ganz schön eklektisch.
Irgendwann fühlt sie sich stark genug, für ihre erste Platte die Stücke zu schreiben und zu komponieren. Mit ihrem Partner in Musik Steffen Kahles produziert sie die Platte und wählt die Arrangements. Steffen Kahles hat bereits einen Namen als Komponist von Filmmusik. 2018 kommen die ersten beiden Singles heraus. Dann dauert es ein ganzes Jahr des Schreibens, Aufnehmens und Produzierens. Kein Platz für Kompromisse.
Viele Einflüsse, aber auch eine Eigenart
Sofia Portanet kultiviert den Unterschied, und das ist keineswegs eine Pose. Beim Hineinhören bekommt man augenblicklich ihre Einzigartigkeit mit. Ja, man hört da schon auch Einflüsse heraus, aber es sind keine Kopien. « Auf dieser musikalischen Suche haben mich bestimmte Künstler wie Kate Bush inspiriert. Aber ich höre viele verschiedene Dinge: Folk, aktuellen Pop, Jazz, Soul, Rock. Ich liebe Edith Piaf und Ingrid Caven, die ein bisschen deren deutsches Pendant ist… Björk für ihre Kreativität und ihre Wandlungsfähigkeit. Aber mich beeindruckt zum Beispiel auch Yma Sumac. Und ich könnte auch Madonna nennen, Blondie für ihre Musik, ihren Charakter und das punk-hafte an ihr, die amerikanische Sängern Lene Lovich… Queen, Klaus Nomi, Nina Hagen – die ich erst spät entdeckt habe – oder auch Bowie… »
Ein bisschen Catherine Ribeiro klingt mit
Auf der Platte gibt es diese Singularität, dieses Lied voll wunderbarer Tiefe und Resonanzen, eine Coverversion des Liedes « Racines » von Catherine Ribeiro. Ein starker Text, beseelt, wie ein Kirchenlied, und doch absolut frei und heidnisch.
« Ich glaube nicht an Gott / Den unendlich Machtvollen / Denn ich glaube an den Menschen / an seinen noch ausstehenden Flug. / Und ich glaube an den großen Wind / der unsere Erinnerungen fort bläst / An das Heilige der jetzigen Zeit / An den vorläufigen Ausgang / An die Keime des Frühlings / An die Kurven des Sommers / An den transparenten Blick des so sehr geliebten Menschen… »
Das hat sie als Abschlussstück für die Platte gewählt, wie ein Siegelabdruck einer sehr starken Persönlichkeit. « Catherine Ribeiro, eine von Frankreichs bedeutendsten Sängerinnen, und erst spät als solche anerkannt… Ihre Musik und ihre Stimme sind unvergleichlich und übertragen Emotionen ohnegleichen. Der Text hat mich tief berührt. Ich wurde vom Goethe Institut in Houston in Texas für die Feier des dreißigsten Jahrestags des Mauerfalls eingeladen. Ich habe dieses Lied ausgesucht, da es eine besondere Bedeutung besitzt und die Fähigkeiten von Mensch und Natur ausdrückt. Die Kraft jeden Individuums, nicht GOtt, ist die Mitte von allem. »
Alle anderen Texte hat sie selbst geschrieben – wieder mit viel Eklektizismus. Man findet etwa « Menschen und Mächte » oder das galaktische « Planet Mars », hier auf englisch, das aber ursprünglich auf französisch geschrieben und in Frankreich auch auf französisch veröffentlicht ist. Ein Lied von Liebe und Abschied.
« Ich schreibe über das, was mich berührt. Über Selbstfindung, Vergänglichkeit… Und wenn ich in einer anderen Sprache schreiben möchte, hole ich mir Berufsübersetzer, damit das Ergebnis so exakt wie möglich ist. » Zu ihrer Signatur gehören auch Textausschnitte von Dichtern wie Heinrich Heine (« Wanderratte ») oder Rainer Maria Rilke (« Das Kind »).
Und wie geht es weiter?
« Freier Geist » ist seit mehreren Wochen auf den Streamingplattformen und als CD verfügbar. Am 24. Juli kommt die LP heraus. « In Deutschland ist die Resonanz auf die Platte unglaublich. Das hat mich sehr überrascht. Es gab viele Artikel in Qualitätsmedien… Aus England kamen viele private Hörermeldungen. Und von guten Rückmeldungen aus Frankreich weiß ich auch. »
In der Tat ist die Presse voll des Lobes für diese neue Künstlerin, man sieht in ihr eine Erneuerung der « Neuen Deutschen Welle ». Die Vergleiche sind ebenso schmeichelhaft wie wohlverdient.
Eine Tour einschließlich zweier Termine in Frankreich (Paris und Colmar) fand nicht statt. Anlässlich der Pandemie passt sie sich neu an und bietet nun auch eine Akustikversion. « Damit finden wir ein neues Publikum, das mit der Platte nicht so viel anfangen konnte. Die Stimme ist präsenter, die Gitarren-Arrangements spannender… Wir starten den Eroberungszug. Am 11. August gibt es einen Live-TV-Auftritt im ZDF. Das ist eine andere und sehr direkte Art, seit dieser Krise mit den Menschen in Verbindung zu kommen. » Immer zuversichtlich.
Verbindlich und entschlossen – Sofia Portanet fehlt es weder an Talent, noch an Persönlichkeit, um sich einen bleibenden Namen zu schaffen. Da ist viel Eleganz in ihrer Musik. Auch viel Eigenart und eine innere Kraft, die den Unterschied macht.
Auf Facebook: https://www.facebook.com/sofiaportanet/
Übersetzung : Alexander Hohmann
Benoît Roux